2. Juni 2022, 17 Uhr:
Warum schlafen wir?
Digitale Kinder-Uni Vorlesung online im Live-Stream
In dem großen Gebäude, in dem Prof. Jan Born arbeitet, stehen neben vielen Computern und Monitoren auch erstaunlich viele Betten. Nein, es ist keine Klinik. Und die Forscherinnen und Forscher arbeiten hier auch nicht so lange, dass es sich für sie gar nicht mehr lohnt, nach Hause zu gehen. Sie arbeiten zwar manchmal auch nachts, die Betten sind dennoch nicht für sie gedacht. Darin liegen Menschen, deren Schlaf untersucht wird. Sie schlafen also für die Wissenschaft. Denn das Institut, dessen Leiter der Psychologieprofessor ist, erforscht etwas, das nur auf den ersten Blick seltsam scheint: Es erforscht den Schlaf.
Schlaf erscheint eigentlich langweilig. Da liegt jemand im Bett und atmet ruhig oder wälzt sich hin und her, weil er oder sie zu spät zu viel gegessen hat. Na und? Jan Born wird euch in seiner Vorlesung erklären, was im Schlaf alles passiert und was der Schlaf alles kann. Denn nicht nur die Träume eines Menschen sind aufschlussreich, auch der Schlaf als solcher. Man denkt, der Körper ruht sich nur aus, aber so einfach ist das nicht: Das Gehirn verarbeitet am Tag Erlerntes, und der Körper nutzt den Schlaf, um Stoffe zu produzieren, die helfen, Stress auszuhalten. Woher man das weiß? Man kann es an Blutproben erkennen und an mehr oder weniger zackigen Kurvenverläufen, die die Hirnströme wiedergeben. Kleine Metallplättchen, die an der Kopfhaut des Schlafenden angebracht werden, leiten die Erregungszustände an einen Monitor weiter. Das nennt man EEG (Elektroenzephalogramm).
Als Kind ahnte Jan Born natürlich nicht, dass er einmal ein bedeutender Schlafforscher werden würde. Er lebte mit seiner Familie im norddeutschen Celle und ging vermutlich genauso ungern ins Bett wie die meisten seiner Altersgenossen. Als jüngster von drei Söhnen hatte er eher darunter zu leiden, dass die beiden großen Brüder länger aufbleiben durften als er. Andererseits spornten die Brüder auch früh seinen Ehrgeiz an. „Ich war schon in jungen Jahren leistungsbetont, vielleicht weil ich mich als Jüngster oft nicht richtig ernst genommen fühlte“, sagt der Professor.
Für seine Eltern war Bildung wichtig, der Vater war Richter und die Mutter Lehrerin. Dennoch übten sie keinen Druck auf die Kinder aus. Schule hatte zu laufen, und wenn sie mal nicht ganz so gut lief, dann setzte sich die Mutter mit dem Jüngsten hin und lernte mit ihm Grammatik oder ähnliche Dinge, die nicht in den Kopf von Kindern wollen. „Ich war dann zwar wütend, aber auf die Weise habe ich Konjugieren und Deklinieren, also das Beugen von Verben und Hauptwörtern, gelernt.“
Jan Born kam in der Schule gut mit, er war aber kein Klassenprimus. Auf dem humanistischen Gymnasium, auf das er ging, mochte er besonders Mathe und Physik. Aber sein größtes Interesse weckte der Englischlehrer, der den Schülern eine Psychologie-AG anbot. Da wurde über Probleme geredet, die der 16-Jährige auch von sich kannte. Und er erfuhr, wie wichtig es ist, sich vom Elternhaus zu lösen und dass die Ablösung nicht auf einen Schlag kommen sollte. Er wäre gerne zum Einüben der Selbstständigkeit noch während der Schulzeit in eine eigene Wohnung gezogen. Doch da bremste ihn der Vater, indem er dem Sohn gestand, dass auch Eltern das Abstandnehmen erst lernen müssen.
Nach dem Abitur kam Born nach Tübingen, doch nicht gleich an die Uni, sondern zu einer Einrichtung, deren Botschafter er auch heute noch ist: Sie heißt Leibniz Kolleg. „Dieses Kolleg kann ich jedem empfehlen!“ Dort wohnen Abiturientinnen und Abiturienten zusammen in einem großen Haus, müssen sich im neuen Lebensabschnitt nicht einsam fühlen und können ein Jahr lang in alle möglichen Studienfächer hineinschnuppern. Nach diesem Jahren wissen die meisten, was sie studieren wollen.
Jan Born hatte aber in der Zwischenzeit einen Studienplatz in Tübingen im Fach Psychologie bekommen, und er begann schon während der Kolleg-Zeit mit dem Studium. Ihn interessierte die Abteilung der Psychologie, die sich mit körperlichen Vorgängen befasst, also der Medizin nahesteht. Seine Abschlussarbeit, die Diplomarbeit, schrieb er in den USA. Dort konnte er ein Jahr lang sehr selbstständig forschen, was ihm später zunutze kam.
Zurück in Deutschland arbeitete er in Ulm zusammen mit einem Endokrinologen, also einem Spezialisten für die Hormonproduktion des Körpers. „Da bin ich auf den Schlaf gekommen! Wir haben eines der ersten wissenschaftlichen Labore zur Erforschung von Hormonspiegeln im Schlaf aufgebaut.“ Labor klingt komisch, weil man gleich an Mikroskope und Chemikalien denkt. Im Schlaflabor nimmt man dagegen den Schlaf unter die Lupe. Jan Born konnte hier auch als einer der ersten den Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnis belegen.